Zeigt sich das Bild, so zeigt sich ach! das Bild schon nicht mehr.
Peter Foos / 2002
Hannes Norberg zeigt Bilder. In einem historischen Kontext wäre es überflüssig, dies eigens zu erwähnen, da das Bild die selbstverständliche Bezugsgröße war, die das Arbeiten der bildenden Künstler motivierte. Im Bild, das nicht nur Artefakt, sondern Dokument der künstlerischen Weltaneignung war, konnte die schöpferische Tätigkeit ihr Ziel finden.
Im zeitgenössischen Kontext ist die Aussage, dass Hannes Norberg Bilder zeigt, suspekt, unverständlich oder provokativ. Suspekt ist sie, da sie den Bildersturm der Moderne einer kritischen Reflexion unterzieht. So vielfältig sich die Moderne in ihren künstlerischen Ausdifferenzierungen auch zeigte und so problematisch es ist, ihrem Bewegungsmoment ein Leitmotiv zu unterstellen, so einfach ist es doch im Gegenzug zu sagen, worauf sich ihre radikale Ablehnung fokussiert: Es sind die Bilder. Bilder sind verdächtig, da sie einer Ebene des Scheins angehören, die in der anvisierten Verbindung von Kunst und Leben einfach keinen Platz beanspruchen darf. Bilder stehen für einen Akt der Repräsentation, dessen Verweischarakter die Unmittelbarkeit des ästhetischen Erlebens verunmöglicht. Die Wirkung moderner Kunst soll sich ohne die Langeweile ihrer Vermittlung einstellen. Nicht nur die Zeit der Weltbilder, sondern die Zeit der Bilder überhaupt ist vorbei. Je radikaler die Einsicht, dass ein Bild zunächst einmal ein Gegenstand aus Leinwand und Farbe ist, verstanden wurde, desto schwieriger wurde es, Bildern eine Bedeutung zuzusprechen. Weder aus dem Glanz einer Farbe noch aus der Proportion einer Gestalt lässt sich Sinn oder gar Transzendenz herauslesen. Bedeutung gerinnt zur metaphysischen Größe, die sich ein aufgeklärtes Jahrhundert weder leisten kann noch will.
Die sich weiter zuspitzende Krise der Repräsentation im 20. Jahrhundert zeitigt nun die zweite Aussage über Hannes Norberg: Dass er Bilder zeigt, ist unverständlich. Es gibt weder eine Orientierung noch eine Verständigung darüber, was als Bild zu identifizieren ist oder als Bild Geltung beanspruchen kann. Der Grad an Ratlosigkeit lässt sich darin ermessen, dass eine Bildwissenschaft als neue Wissenschaft im Entstehen ist, deren zentrale Leitfrage die nach den Bildern ist. Die Destabilisierung des Wissens hat auch die Bilder nicht verschont und raubt ihnen ihre Plausibilität. Bildwissenschaft forscht sowohl nach einem Bildbegriff als auch nach epistemischen Valenzen der Bilder selbst. Sind für die Bildwissenschaft Bilder ein legitimer Gegenstand der Forschung, versteht sich Hannes Norberg als Künstler, der Bilder zeigen möchte. Wie verschieden die jeweilige Motivation im Umgang mit Bildern ist, lässt sich in Bezug auf Kant formulieren. Kant unterscheidet zwischen Vernunftidee und ästhetischer Idee. Ideen sind in ihrer allgemeinsten Bedeutung nach Kant eine nach einem Prinzip auf einen Gegenstand bezogene Vorstellung, sofern diese doch nie eine Erkenntnis desselben werden kann. Der entscheidende Aspekt dieser Definition ist, dass die Vorstellung, welche die Idee ausmacht, von der Erkenntnis geschieden ist. Der für das Erkenntnisinteresse negative Aspekt, dass die Vorstellung, welche die Idee ausmacht, keine Erkenntnis werden kann, birgt dennoch einen entscheidenden Vorteil. Die fehlende Erkenntnis lässt sich als beunruhigendes Element verstehen, welches die Lebendigkeit des Ideellen sowohl im Vernünftigen wie im Ästhetischen verbürgt. Sie ist die der Idee inhärente Heuristik.
Mit den Begriffen Vernunftidee und ästhetische Idee werden nun zwei Typen von Ideen gekennzeichnet, die durch das Kriterium, warum sie keine Erkenntnis werden können, geschieden sind. Eine ästhetische Idee kann keine Erkenntnis werden, weil sie eine Anschauung ist, der niemals ein Begriff adäquat gefunden werden kann. Eine Vernunftidee kann keine Erkenntnis werden, weil ihr keine korrespondierende Erfahrung zugeordnet werden kann. Eine ästhetische Idee ist eine inexponible Vorstellung der Einbildungskraft, eine Vernunftidee ein indemonstrabler Begriff der Vernunft. Kants Reflexion bietet den Vorteil, dass sie in der Lage ist, sowohl das Vernünftige als auch das Ästhetische dem Haushalt des Ideellen zuzuschreiben. Als problematischer Rest bleibt eine strikte Dualität zwischen dem Vernünftigen und dem Ästhetischen, die im kantischen Horizont nicht überbrückbar ist.
Provokativ ist die Aussage, dass Hannes Norberg Bilder zeigt, nun in zweifacher Hinsicht. Zum ersten, da die von der Moderne geforderte Unmittelbarkeit einer bildlichen Reflexion unterworfen wird, in der sich das Bild als Medium herausstellt, das als unterste Schranke des Zeigens nicht umgangen werden kann. Ohne Bilder ist ein Zeigen nicht möglich. Im antimetaphysischen Impuls der Moderne wird damit selbst eine spezifisch modernistische Metaphysik entlarvt. Zum zweiten wird in Anerkennung der Berechtigung der modernistischen Bildkritik eine ästhetische Idee so ins Bild gesetzt, dass die Debatte um Repräsentation und Vermittlung erst gar nicht einsetzt, da das Bild als Dokument einer ästhetischen Idee weder etwas anderes repräsentiert noch etwas vermittelt. Anstelle der Repräsentation oder Vermittlung ist es vielmehr eine Interaktion, die das Bild leistet. Mit dieser Perspektive kann es auch gelingen, die von Kant hinterlassene Dualität zu überwinden. Interaktion meint, dass es keine vom Bild losgelöste Bedeutung gibt, sondern das Bild selbst mit der Idee reagiert. Was ein Bild ausmacht, lässt sich weder als Artefakt noch lässt es sich aus der Logik seiner Herstellung verstehen. Ein Bild imitiert keine Bedeutung, sondern Bedeutung ist in ihm inkorporiert. Eine Annäherung an dieses Bildverständnis bietet Georges Didi-Huberman, indem er das Sichtbare vom Visuellen differenziert. Der Blick darf sich nicht damit begnügen, das Sichtbare in ein Gesehenes zu verwandeln, da dieser Vorgang das Sichtbare so vergegenständlicht, dass sich seine Wirksamkeit nur innerhalb der Vernunftidee entfalten kann. George Didi-Huberman schlägt vor, den Blick auf die piktorale Vorführung zu richten die eine Abwertung des Sichtbaren zugunsten des Visuellen beinhaltet. Im Unterschied zum Sichtbaren, das eine empirische und körperliche Größe ist, besitzt das Visuelle noch eine weitere Dimension. Im Visuellen kommt die Bedeutung als intelligible Größe, die im Kunstwerk inkarniert und dennoch unkörperlich ist, ins Spiel. Nicht seine Sichtbarkeit, sondern seine Visualität macht ein Bild aus. Bildende Kunst votiert mit dem Visuellen, das sich von den Imperativen der Sichtbarkeit befreit hat.
Das Moment des Visuellen zeigt sich in den Arbeiten von Hannes Norberg darin, dass es sich zwar um Fotos handelt, diese aber gerade keinen gegebenen Ausschnitt an Realität abbilden, sondern Gegenstände zeigen, die speziell für das Fotografieren hergestellt wurden. Obwohl auf den Fotos Objekte zu sehen sind, gab und gibt es nichts, was jenseits der Fotos eine Bedeutung hat. Damit wird erreicht, dass das Votum, das die Werke formulieren, ausschließlich in ihnen selbst verbürgt ist und kein Verweisungscharakter bemüht werden kann, durch den sie in den Horizont einer Vermittlung gestellt werden könnten. Obwohl diese Fotos eine materielle Faktizität besitzen, sind sie ganz und gar Bilder. Das liegt daran, dass sie selbst im Horizont ihrer ästhetischen Idee Pate standen für die Modelle, die dann gebaut und fotografiert wurden.
Wie sehr Hannes Norberg sich im Horizont des Visuellen aufhält, wurde mir auch in den Gesprächen, die zu diesem Text führten deutlich. Wie häufig bei Gesprächen mit Künstlern, bemerkte ich eine große Skepsis gegenüber Formulierungen, die versuchen, seine Arbeiten auf einen Begriff zu bringen. Nicht ihr Begriff, sondern ihre Visualität ist das Wesentliche. Begriffliche Reflexion ist aus diesem Grund auch keine Hilfe beim künstlerischen Arbeiten. Entscheidungen werden getroffen durch die Überprüfung, ob das hergestellte Sichtbare einen Horizont des Visuellen eröffnet. Die Auswahl eines Fotos geschieht nicht nur bezogen auf es selbst, sondern im Blick auf die Interaktion, zu der es fähig ist. Das kann sowohl in Bezug auf ein anderes Foto, einen Raum oder auch eine Bedeutung sein. Variation und Anordnung der Elemente spielen in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle, da sie feinste Nuancierungen im Wechselspiel von Sichtbarkeit und Visualität ermöglichen. Wie verletzbar ein Bild in dieser Perspektive ist, lässt sich in Analogie zum Text der berühmten Votivtafel Spricht die Seele, so spricht ach! schon die Seele nicht mehr formulieren: Zeigt sich das Bild, so zeigt sich ach! das Bild schon nicht mehr.
Anmerkungen:
1
Vgl. Kant, Immanuel: Kritik der Urteilskraft, Paragraph 57, Anhang I
2
Vgl. Didi-Huberman, Georges: Vor einem Bild, Hanser Verlag, München, 2000
3
Vgl. Schiller, Friedrich: Xenien und Votivtafeln, in: Schiller, sämtliche Werke, Bd. 1, S. 313
Dr. Peter Foos ist Autor von zahlreichen Publikationen zu Kunst und Philosophie und Dozent für Kunsttheorie an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln.
Erschienen in: Katalogbuch Villa Romana-Preisträger, Villa Romana, Florenz, 2002
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Zeigt sich das Bild, so zeigt sich ach! das Bild schon nicht mehr.
Peter Foos / 2002
Hannes Norberg zeigt Bilder. In einem historischen Kontext wäre es überflüssig, dies eigens zu erwähnen, da das Bild die selbstverständliche Bezugsgröße war, die das Arbeiten der bildenden Künstler motivierte. Im Bild, das nicht nur Artefakt, sondern Dokument der künstlerischen Weltaneignung war, konnte die schöpferische Tätigkeit ihr Ziel finden.
Im zeitgenössischen Kontext ist die Aussage, dass Hannes Norberg Bilder zeigt, suspekt, unverständlich oder provokativ. Suspekt ist sie, da sie den Bildersturm der Moderne einer kritischen Reflexion unterzieht. So vielfältig sich die Moderne in ihren künstlerischen Ausdifferenzierungen auch zeigte und so problematisch es ist, ihrem Bewegungsmoment ein Leitmotiv zu unterstellen, so einfach ist es doch im Gegenzug zu sagen, worauf sich ihre radikale Ablehnung fokussiert: Es sind die Bilder. Bilder sind verdächtig, da sie einer Ebene des Scheins angehören, die in der anvisierten Verbindung von Kunst und Leben einfach keinen Platz beanspruchen darf. Bilder stehen für einen Akt der Repräsentation, dessen Verweischarakter die Unmittelbarkeit des ästhetischen Erlebens verunmöglicht. Die Wirkung moderner Kunst soll sich ohne die Langeweile ihrer Vermittlung einstellen. Nicht nur die Zeit der Weltbilder, sondern die Zeit der Bilder überhaupt ist vorbei. Je radikaler die Einsicht, dass ein Bild zunächst einmal ein Gegenstand aus Leinwand und Farbe ist, verstanden wurde, desto schwieriger wurde es, Bildern eine Bedeutung zuzusprechen. Weder aus dem Glanz einer Farbe noch aus der Proportion einer Gestalt lässt sich Sinn oder gar Transzendenz herauslesen. Bedeutung gerinnt zur metaphysischen Größe, die sich ein aufgeklärtes Jahrhundert weder leisten kann noch will.
Die sich weiter zuspitzende Krise der Repräsentation im 20. Jahrhundert zeitigt nun die zweite Aussage über Hannes Norberg: Dass er Bilder zeigt, ist unverständlich. Es gibt weder eine Orientierung noch eine Verständigung darüber, was als Bild zu identifizieren ist oder als Bild Geltung beanspruchen kann. Der Grad an Ratlosigkeit lässt sich darin ermessen, dass eine Bildwissenschaft als neue Wissenschaft im Entstehen ist, deren zentrale Leitfrage die nach den Bildern ist. Die Destabilisierung des Wissens hat auch die Bilder nicht verschont und raubt ihnen ihre Plausibilität. Bildwissenschaft forscht sowohl nach einem Bildbegriff als auch nach epistemischen Valenzen der Bilder selbst. Sind für die Bildwissenschaft Bilder ein legitimer Gegenstand der Forschung, versteht sich Hannes Norberg als Künstler, der Bilder zeigen möchte. Wie verschieden die jeweilige Motivation im Umgang mit Bildern ist, lässt sich in Bezug auf Kant formulieren. Kant unterscheidet zwischen Vernunftidee und ästhetischer Idee. Ideen sind in ihrer allgemeinsten Bedeutung nach Kant eine nach einem Prinzip auf einen Gegenstand bezogene Vorstellung, sofern diese doch nie eine Erkenntnis desselben werden kann. Der entscheidende Aspekt dieser Definition ist, dass die Vorstellung, welche die Idee ausmacht, von der Erkenntnis geschieden ist. Der für das Erkenntnisinteresse negative Aspekt, dass die Vorstellung, welche die Idee ausmacht, keine Erkenntnis werden kann, birgt dennoch einen entscheidenden Vorteil. Die fehlende Erkenntnis lässt sich als beunruhigendes Element verstehen, welches die Lebendigkeit des Ideellen sowohl im Vernünftigen wie im Ästhetischen verbürgt. Sie ist die der Idee inhärente Heuristik.
Mit den Begriffen Vernunftidee und ästhetische Idee werden nun zwei Typen von Ideen gekennzeichnet, die durch das Kriterium, warum sie keine Erkenntnis werden können, geschieden sind. Eine ästhetische Idee kann keine Erkenntnis werden, weil sie eine Anschauung ist, der niemals ein Begriff adäquat gefunden werden kann. Eine Vernunftidee kann keine Erkenntnis werden, weil ihr keine korrespondierende Erfahrung zugeordnet werden kann. Eine ästhetische Idee ist eine inexponible Vorstellung der Einbildungskraft, eine Vernunftidee ein indemonstrabler Begriff der Vernunft. Kants Reflexion bietet den Vorteil, dass sie in der Lage ist, sowohl das Vernünftige als auch das Ästhetische dem Haushalt des Ideellen zuzuschreiben. Als problematischer Rest bleibt eine strikte Dualität zwischen dem Vernünftigen und dem Ästhetischen, die im kantischen Horizont nicht überbrückbar ist.
Provokativ ist die Aussage, dass Hannes Norberg Bilder zeigt, nun in zweifacher Hinsicht. Zum ersten, da die von der Moderne geforderte Unmittelbarkeit einer bildlichen Reflexion unterworfen wird, in der sich das Bild als Medium herausstellt, das als unterste Schranke des Zeigens nicht umgangen werden kann. Ohne Bilder ist ein Zeigen nicht möglich. Im antimetaphysischen Impuls der Moderne wird damit selbst eine spezifisch modernistische Metaphysik entlarvt. Zum zweiten wird in Anerkennung der Berechtigung der modernistischen Bildkritik eine ästhetische Idee so ins Bild gesetzt, dass die Debatte um Repräsentation und Vermittlung erst gar nicht einsetzt, da das Bild als Dokument einer ästhetischen Idee weder etwas anderes repräsentiert noch etwas vermittelt. Anstelle der Repräsentation oder Vermittlung ist es vielmehr eine Interaktion, die das Bild leistet. Mit dieser Perspektive kann es auch gelingen, die von Kant hinterlassene Dualität zu überwinden. Interaktion meint, dass es keine vom Bild losgelöste Bedeutung gibt, sondern das Bild selbst mit der Idee reagiert. Was ein Bild ausmacht, lässt sich weder als Artefakt noch lässt es sich aus der Logik seiner Herstellung verstehen. Ein Bild imitiert keine Bedeutung, sondern Bedeutung ist in ihm inkorporiert. Eine Annäherung an dieses Bildverständnis bietet Georges Didi-Huberman, indem er das Sichtbare vom Visuellen differenziert. Der Blick darf sich nicht damit begnügen, das Sichtbare in ein Gesehenes zu verwandeln, da dieser Vorgang das Sichtbare so vergegenständlicht, dass sich seine Wirksamkeit nur innerhalb der Vernunftidee entfalten kann. George Didi-Huberman schlägt vor, den Blick auf die piktorale Vorführung zu richten die eine Abwertung des Sichtbaren zugunsten des Visuellen beinhaltet. Im Unterschied zum Sichtbaren, das eine empirische und körperliche Größe ist, besitzt das Visuelle noch eine weitere Dimension. Im Visuellen kommt die Bedeutung als intelligible Größe, die im Kunstwerk inkarniert und dennoch unkörperlich ist, ins Spiel. Nicht seine Sichtbarkeit, sondern seine Visualität macht ein Bild aus. Bildende Kunst votiert mit dem Visuellen, das sich von den Imperativen der Sichtbarkeit befreit hat.
Das Moment des Visuellen zeigt sich in den Arbeiten von Hannes Norberg darin, dass es sich zwar um Fotos handelt, diese aber gerade keinen gegebenen Ausschnitt an Realität abbilden, sondern Gegenstände zeigen, die speziell für das Fotografieren hergestellt wurden. Obwohl auf den Fotos Objekte zu sehen sind, gab und gibt es nichts, was jenseits der Fotos eine Bedeutung hat. Damit wird erreicht, dass das Votum, das die Werke formulieren, ausschließlich in ihnen selbst verbürgt ist und kein Verweisungscharakter bemüht werden kann, durch den sie in den Horizont einer Vermittlung gestellt werden könnten. Obwohl diese Fotos eine materielle Faktizität besitzen, sind sie ganz und gar Bilder. Das liegt daran, dass sie selbst im Horizont ihrer ästhetischen Idee Pate standen für die Modelle, die dann gebaut und fotografiert wurden.
Wie sehr Hannes Norberg sich im Horizont des Visuellen aufhält, wurde mir auch in den Gesprächen, die zu diesem Text führten deutlich. Wie häufig bei Gesprächen mit Künstlern, bemerkte ich eine große Skepsis gegenüber Formulierungen, die versuchen, seine Arbeiten auf einen Begriff zu bringen. Nicht ihr Begriff, sondern ihre Visualität ist das Wesentliche. Begriffliche Reflexion ist aus diesem Grund auch keine Hilfe beim künstlerischen Arbeiten. Entscheidungen werden getroffen durch die Überprüfung, ob das hergestellte Sichtbare einen Horizont des Visuellen eröffnet. Die Auswahl eines Fotos geschieht nicht nur bezogen auf es selbst, sondern im Blick auf die Interaktion, zu der es fähig ist. Das kann sowohl in Bezug auf ein anderes Foto, einen Raum oder auch eine Bedeutung sein. Variation und Anordnung der Elemente spielen in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle, da sie feinste Nuancierungen im Wechselspiel von Sichtbarkeit und Visualität ermöglichen. Wie verletzbar ein Bild in dieser Perspektive ist, lässt sich in Analogie zum Text der berühmten Votivtafel Spricht die Seele, so spricht ach! schon die Seele nicht mehr formulieren: Zeigt sich das Bild, so zeigt sich ach! das Bild schon nicht mehr.
Anmerkungen:
1
Vgl. Kant, Immanuel: Kritik der Urteilskraft, Paragraph 57, Anhang I
2
Vgl. Didi-Huberman, Georges: Vor einem Bild, Hanser Verlag, München, 2000
3
Vgl. Schiller, Friedrich: Xenien und Votivtafeln, in: Schiller, sämtliche Werke, Bd. 1, S. 313
Dr. Peter Foos ist Autor von zahlreichen Publikationen zu Kunst und Philosophie und Dozent für Kunsttheorie an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln.
Erschienen in: Katalogbuch Villa Romana-Preisträger, Villa Romana, Florenz, 2002
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