Raumkonzepte
Rupert Pfab / 2002
Der Düsseldorfer Künstler Hannes Norberg (Jg.1969) verbindet in seinem Werk in radikaler Weise malerische, bildhauerische, architektonische und fotografische Aspekte. Zu sehen sind Fotos von hintereinander geschichteten Farbfeldern, die wenig Tiefenraum erschlieflen. Es sind einfache, in den Raum gebaute Flächen mit monochromem Anstrich und Abmessungen, deren Proportionen ausgewogen sind. Sie sind nach hinten und leicht in die Höhe gestaffelt. Dabei handelt es sich immer um Formen, denen überwiegend geometrische Körper zugrunde liegen. Norbergs Fotos bilden keine Wirklichkeit und keinen Ausschnitt daraus ab, sondern seine Objekte werden für die fotografische Aufnahme erst geschaffen.
Der einzelnen Aufnahme geht ein langer Prozeß voraus, der präzise Überlegungen und Versuchsanordnungen beinhaltet. In unzähligen Vorzeichnungen auf Millimeter-Papier, das auch Architekten für ihre Planungen verwenden, wird die geeignete Anordnung der Flächen gesucht. Präzise Formuntersuchungen, Schichtungen und Farbproben gehören zu den vorbereitenden Maßnahmen, ehe sich Norberg für eine Komposition entscheidet.
Im Foto wirken die Anordnungen später wie Architekturelemente, deren reale Größe wir nicht erfahren. Steht die Komposition fest, wird die Beleuchtung erprobt. Licht und Schatten sind elementare Bestandteile in Norbergs Bildkonzept und gerade in den neueren Arbeiten ist das Licht wesentliches Gestaltungselement und wird formal einbezogen, wie man an den Schatten sehen kann, die als eigenständige Flächen die Bilder strukturieren und zu Variationen der Farben führen.
Erst wenn diese Vorbereitungsphasen abgeschlossen sind und seiner Bildidee entsprechen, begibt sich Norberg an die Aufnahme. Die Anordnungen werden immer frontal und in strenger Symmetrie fotografiert. Die breit gelagerten Objekte sind eng in die Bildfläche gesetzt, die durchgängig als gestrecktes Querformat erscheint. Die Objekte stehen stets vor einem neutralen, nie ganz weißen Bildgrund und auf einem ebensolchen Boden, deren Farbton immer mit denjenigen der fotografierten Elemente korrespondiert. Das gesamte Kolorit der Aufnahmen ist zurückhaltend und läßt eine gedankliche Kühle spüren, die mit der Strenge der gezeigten Flächen im Einklang steht.
Entfernt erinnern Norbergs Formen an Architekturen, wobei jede allzu reale Bezugnahme vermieden wird. Nie sind Orte erkennbar. Die Anordnungen scheinen in einem unbestimmten Raumkontinuum zu stehen.
Hannes Norberg schafft die Dinge, die er fotografiert, selbst. Seine Fotografie ist Teil der Bildkonstruktion, die das Verhältnis der gezeigten Formen zur Bildfläche definiert. Damit wenden sich seine Fotos entschieden einer Bildschöpfung zu, wie man sie aus der Malerei kennt. Beispielhaft sei hier Cézanne genannt, der seine Kompositionen ebenfalls "gebaut" hat, um die Eigenständigkeit der Form zu betonen. Vergleichbar mit Cézanne schafft Norberg eine eigene Realität, die neben der realen Welt existiert, greift dabei aber auf elementare Formen zurück, wobei er auf eine eigene gestalterische Differenzierung verzichtet.Aber auch in der zeitgenössischen Kunst haben Norbergs Flächen ihre Verwandtschaft. Das Komponieren von Farbkörpern, -flächen und -räumen ist von Arbeiten amerikanischer Künstler wie Donald Judd bekannt. Er hatte, von der Malerei kommend, seine Werke in den Raum hineingebaut und sich so von der Fläche hin zum dreidimensionalen Objekt entwickelt. Bei Norberg ist dieser Prozeß geradezu gegenläufig, denn er konstruiert seine Formen zunächst und setzt sie im Anschluß fotografisch in die Fläche.
Norberg arbeitet sozusagen mit einer zeitgenössischen sowie einer klassischen Bildgrammatik. Er zitiert dabei nicht bestimmte Künstler, sondern versucht deren Errungenschaften in seine Arbeit zu integrieren.
Laut Marie Luise Syring erhalten Norbergs schlichte Objekte durch die Fotografie eine Qualität, die sie ohne die Fotos gar nicht hätten.* Bei der Betrachtung von Norbergs Bildern könne man nicht wirklich entscheiden, ob es sich um skulpturale Objekte oder abstrakte Malerei handle. Diese Grenze, auf der sich Norbergs Kunst bewegt, zeichnet ihn als Maler aus, der mit Mitteln der Fotografie arbeitet. Es sei, so Norberg, in seiner Arbeit zwangsläufig zu einer Art Synthese der beiden Medien gekommen. Obwohl die Modelle ausschließlich für die Fotoaufnahmen gebaut werden, erhalten die Bilder ihre eigene, wie der Künstler sagt, "unspektakuläre Realität".Bei seiner rein sachlichen Fotografie versucht Norberg die Empfindung äußerster Einfachheit und harmonischer Klarheit zu erzeugen.Er integriert die Mittel der Malerei in seine Arbeit, indem er die Modelle bemalt. So schafft er eine Synthese aus Architektur und Malerei.
Den Konstruktionen und Schichtungen in Norbergs Arbeiten liegt in erster Linie ein konzeptuelles Denken zugrunde. Der Künstler, der 1998 die Düsseldorfer Akademie verlassen hat, stellt sein Bildkonzept der Aufnahme voran, weil es ihm allein um das Resultat geht. Die einzelnen, oben beschriebenen Arbeitsschritte sind notwendig für ein komplexes Ganzes.
Während sich die neueren Arbeiten nach vorne zum Betrachter hin öffnen und kleine Räume bilden, waren seine frühen Bilder der Fläche noch radikaler verpflichtet. Seine gedankliche Auseinandersetzung mit dem Thema entwickelte sich und wurde lebendiger. Auch die Oberfläche der Objekte hat sich verändert. Das Material ist rauher geworden, Strukturen, ja sogar leichte Streifen sind jetzt sichtbar und beleben die Oberflächen. Das Material hat insgesamt eine große Präsenz. Es ist ein karger Dämmstoff, der zufällige Strukturen beinhaltet. Die neueren Arbeiten werden dadurch vielleicht sogar dramatischer, lebendiger und verlieren den spröden Charakter der Frühzeit. Es wird deutlich, dass nicht allein die Fotografien der Modelle, sondern die Modelle selbst ein Eigenleben, eine selbständige Realität besitzen.
So entsteht ein Wechselspiel zwischen abstraktem und konkretem Maßstab. Die Bildgröße bezieht sich auf den Betrachter, weil dadurch eine Korrelation zu ihm entstehen kann. Durch die Vergrößerung verlieren die Objekte ihren Modellcharakter.
Norberg ist gut informiert über zeitgenössische Kunst. Die Farbflächen der Amerikaner Peter Halley oder Ad Reinhard, deren Malerei sich ebenfalls geometrischer Formen bedient und der Fläche eng verbunden sind, ist ihm bestens vertraut.In den frühen 80er Jahren ahmte Halley unter Benutzung des konstruktivistischen und minimalistischen Formenkanons visuelle Räume nach, wie man sie in Videospielen und Computergrafiken finden kann. Dabei entwickelte er auch eine rauhe, künstliche Textur.**
Die Bilder Ad Reinhards zeigen trotz schlichter Formen und geringer raumillusionistischer Wirkung dynamische Raumstrukturen. Auch mit dem Werk von Barnett Newmans gibt es Berührungspunkte, wenn man an die konzeptuelle Basis und die Unmittelbarkeit von Farbe und Form denkt.
Auch in der Frühmoderne, wie bei Mondrian oder den russischen Konstruktivisten findet sich Formvokabular, das durchaus Anregung für Hannes Norberg gewesen sein könnte. Ihn interessieren nach eigener Aussage Künstler, deren Malerei nichts Gestisches hat, sondern denen es um einen abstrahierten Bildaufbau geht.
Hannes Norbergs Photos liegt immer ein architektonisches Denken zugrunde, das auch Künstler seiner Generation beschäftigt. Jedes einzelne Bild erscheint wie eine Etappe auf ein endgültiges Ziel hin als notwendige Grundlage.
* Marie Luise Syring, Hannes Norberg, in: Ausstellungskatalog Art Primeur 2000, Dordrecht, Niederlande 2000, S.64
** Brandon Taylor, Kunst heute, Köln 1995, S.96
Dr. Rupert Pfab ist ein deutscher Kunsthistoriker, Autor, Kurator und Galerist. Er lebt in Düsseldorf.
Erschienen in: EIKON, Internationale Zeitschrift für Fotografie und Medienkunst No.38, Wien
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Raumkonzepte
Der Düsseldorfer Künstler Hannes Norberg (Jg.1969) verbindet in seinem Werk in radikaler Weise malerische, bildhauerische, architektonische und fotografische Aspekte. Zu sehen sind Fotos von hintereinander geschichteten Farbfeldern, die wenig Tiefenraum erschlieflen. Es sind einfache, in den Raum gebaute Flächen mit monochromem Anstrich und Abmessungen, deren Proportionen ausgewogen sind. Sie sind nach hinten und leicht in die Höhe gestaffelt. Dabei handelt es sich immer um Formen, denen überwiegend geometrische Körper zugrunde liegen. Norbergs Fotos bilden keine Wirklichkeit und keinen Ausschnitt daraus ab, sondern seine Objekte werden für die fotografische Aufnahme erst geschaffen.
Der einzelnen Aufnahme geht ein langer Prozeß voraus, der präzise Überlegungen und Versuchsanordnungen beinhaltet. In unzähligen Vorzeichnungen auf Millimeter-Papier, das auch Architekten für ihre Planungen verwenden, wird die geeignete Anordnung der Flächen gesucht. Präzise Formuntersuchungen, Schichtungen und Farbproben gehören zu den vorbereitenden Maßnahmen, ehe sich Norberg für eine Komposition entscheidet.
Im Foto wirken die Anordnungen später wie Architekturelemente, deren reale Größe wir nicht erfahren. Steht die Komposition fest, wird die Beleuchtung erprobt. Licht und Schatten sind elementare Bestandteile in Norbergs Bildkonzept und gerade in den neueren Arbeiten ist das Licht wesentliches Gestaltungselement und wird formal einbezogen, wie man an den Schatten sehen kann, die als eigenständige Flächen die Bilder strukturieren und zu Variationen der Farben führen.
Erst wenn diese Vorbereitungsphasen abgeschlossen sind und seiner Bildidee entsprechen, begibt sich Norberg an die Aufnahme. Die Anordnungen werden immer frontal und in strenger Symmetrie fotografiert. Die breit gelagerten Objekte sind eng in die Bildfläche gesetzt, die durchgängig als gestrecktes Querformat erscheint. Die Objekte stehen stets vor einem neutralen, nie ganz weißen Bildgrund und auf einem ebensolchen Boden, deren Farbton immer mit denjenigen der fotografierten Elemente korrespondiert. Das gesamte Kolorit der Aufnahmen ist zurückhaltend und läßt eine gedankliche Kühle spüren, die mit der Strenge der gezeigten Flächen im Einklang steht.
Entfernt erinnern Norbergs Formen an Architekturen, wobei jede allzu reale Bezugnahme vermieden wird. Nie sind Orte erkennbar. Die Anordnungen scheinen in einem unbestimmten Raumkontinuum zu stehen.
Hannes Norberg schafft die Dinge, die er fotografiert, selbst. Seine Fotografie ist Teil der Bildkonstruktion, die das Verhältnis der gezeigten Formen zur Bildfläche definiert. Damit wenden sich seine Fotos entschieden einer Bildschöpfung zu, wie man sie aus der Malerei kennt. Beispielhaft sei hier Cézanne genannt, der seine Kompositionen ebenfalls "gebaut" hat, um die Eigenständigkeit der Form zu betonen. Vergleichbar mit Cézanne schafft Norberg eine eigene Realität, die neben der realen Welt existiert, greift dabei aber auf elementare Formen zurück, wobei er auf eine eigene gestalterische Differenzierung verzichtet.Aber auch in der zeitgenössischen Kunst haben Norbergs Flächen ihre Verwandtschaft. Das Komponieren von Farbkörpern, -flächen und -räumen ist von Arbeiten amerikanischer Künstler wie Donald Judd bekannt. Er hatte, von der Malerei kommend, seine Werke in den Raum hineingebaut und sich so von der Fläche hin zum dreidimensionalen Objekt entwickelt. Bei Norberg ist dieser Prozeß geradezu gegenläufig, denn er konstruiert seine Formen zunächst und setzt sie im Anschluß fotografisch in die Fläche.
Norberg arbeitet sozusagen mit einer zeitgenössischen sowie einer klassischen Bildgrammatik. Er zitiert dabei nicht bestimmte Künstler, sondern versucht deren Errungenschaften in seine Arbeit zu integrieren.
Laut Marie Luise Syring erhalten Norbergs schlichte Objekte durch die Fotografie eine Qualität, die sie ohne die Fotos gar nicht hätten.* Bei der Betrachtung von Norbergs Bildern könne man nicht wirklich entscheiden, ob es sich um skulpturale Objekte oder abstrakte Malerei handle. Diese Grenze, auf der sich Norbergs Kunst bewegt, zeichnet ihn als Maler aus, der mit Mitteln der Fotografie arbeitet. Es sei, so Norberg, in seiner Arbeit zwangsläufig zu einer Art Synthese der beiden Medien gekommen. Obwohl die Modelle ausschließlich für die Fotoaufnahmen gebaut werden, erhalten die Bilder ihre eigene, wie der Künstler sagt, "unspektakuläre Realität".Bei seiner rein sachlichen Fotografie versucht Norberg die Empfindung äußerster Einfachheit und harmonischer Klarheit zu erzeugen.Er integriert die Mittel der Malerei in seine Arbeit, indem er die Modelle bemalt. So schafft er eine Synthese aus Architektur und Malerei.
Den Konstruktionen und Schichtungen in Norbergs Arbeiten liegt in erster Linie ein konzeptuelles Denken zugrunde. Der Künstler, der 1998 die Düsseldorfer Akademie verlassen hat, stellt sein Bildkonzept der Aufnahme voran, weil es ihm allein um das Resultat geht. Die einzelnen, oben beschriebenen Arbeitsschritte sind notwendig für ein komplexes Ganzes.
Während sich die neueren Arbeiten nach vorne zum Betrachter hin öffnen und kleine Räume bilden, waren seine frühen Bilder der Fläche noch radikaler verpflichtet. Seine gedankliche Auseinandersetzung mit dem Thema entwickelte sich und wurde lebendiger. Auch die Oberfläche der Objekte hat sich verändert. Das Material ist rauher geworden, Strukturen, ja sogar leichte Streifen sind jetzt sichtbar und beleben die Oberflächen. Das Material hat insgesamt eine große Präsenz. Es ist ein karger Dämmstoff, der zufällige Strukturen beinhaltet. Die neueren Arbeiten werden dadurch vielleicht sogar dramatischer, lebendiger und verlieren den spröden Charakter der Frühzeit. Es wird deutlich, dass nicht allein die Fotografien der Modelle, sondern die Modelle selbst ein Eigenleben, eine selbständige Realität besitzen.
So entsteht ein Wechselspiel zwischen abstraktem und konkretem Maßstab. Die Bildgröße bezieht sich auf den Betrachter, weil dadurch eine Korrelation zu ihm entstehen kann. Durch die Vergrößerung verlieren die Objekte ihren Modellcharakter.
Norberg ist gut informiert über zeitgenössische Kunst. Die Farbflächen der Amerikaner Peter Halley oder Ad Reinhard, deren Malerei sich ebenfalls geometrischer Formen bedient und der Fläche eng verbunden sind, ist ihm bestens vertraut.In den frühen 80er Jahren ahmte Halley unter Benutzung des konstruktivistischen und minimalistischen Formenkanons visuelle Räume nach, wie man sie in Videospielen und Computergrafiken finden kann. Dabei entwickelte er auch eine rauhe, künstliche Textur.**
Die Bilder Ad Reinhards zeigen trotz schlichter Formen und geringer raumillusionistischer Wirkung dynamische Raumstrukturen. Auch mit dem Werk von Barnett Newmans gibt es Berührungspunkte, wenn man an die konzeptuelle Basis und die Unmittelbarkeit von Farbe und Form denkt.
Auch in der Frühmoderne, wie bei Mondrian oder den russischen Konstruktivisten findet sich Formvokabular, das durchaus Anregung für Hannes Norberg gewesen sein könnte. Ihn interessieren nach eigener Aussage Künstler, deren Malerei nichts Gestisches hat, sondern denen es um einen abstrahierten Bildaufbau geht.
Hannes Norbergs Photos liegt immer ein architektonisches Denken zugrunde, das auch Künstler seiner Generation beschäftigt. Jedes einzelne Bild erscheint wie eine Etappe auf ein endgültiges Ziel hin als notwendige Grundlage.
Dr. Rupert Pfab ist ein deutscher Kunsthistoriker, Autor, Kurator und Galerist. Er lebt in Düsseldorf.
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